PFLICHT & KÜR

bei der Pflege. Ein Kosmetiktipp von Autotesterin Stella Lecar.

Ab und zu darf man schon in die Waschstraße fahren. Ich gehe ja auch regelmäßig duschen. In beiden Fällen geht es um Glanz und Optik. Technisch notwendig ist es nicht. Hab’s ausprobiert.

Ich kann auch voll verdreckt sitzen, gehen und sprechen. No problem. Aber das Leben ist nicht bloß eine Frage der Funktion. Ich brauche meine Oberflächenversiegelung, dann perlt der Schmutz besser ab. Ich gehe nicht mit einem Sommerkleidchen, das vorher innigen Kontakt mit der Fahrradkette hatte, zu einer Gartenparty und daher fahre ich auch nicht mit einem dreckigen Auto dorthin. Stil endet nicht bei der Wahl des richtigen Nagel- oder Autolacks.

Aber hallo, ich rede nicht bloß vom Lack. Mein Auto hat Stoffsitze, das Auto von Señor Testosterone hat Ledersitze. Von den Ledersitzen seines Autos mag ich jetzt keine Fotos zeigen, weil dies hier ein schönes und freundliches Magazin ist. Sie sind abgewetzt und aufgerissen. Und dann erzählt er mir, dass der böse Gurt da immer drüber rasselt und der Sitz daher Narben hat wie Rambo. Aber Leder kann man pflegen. Macht er ja mit seinen Bergschuhen auch. Die lässt er regelmäßig ein und poliert sie, damit sie geschmeidig bleiben. Kürzlich hat er erst in Lederreparatur investiert. Die schöne Optik der Sitze hätte er mit Pflege günstiger haben können.

Meine Stoffsitze hingegen sind jederzeit bereit dafür, dass King Charles III irgendwo autostoppt. Ich bleibe stehen, lasse ihn einsteigen und kann darauf vertrauen, der Beifahrersitz ist ein königlicher Thron. Meine Sitze werden eingeschäumt und haben regelmäßigen Kontakt mit Extrahiergeräten und Nasssaugern. King Charles steigt am Buckingham Palace völlig bakterienfrei aus.

So, noch ein Punkt, wo Señor Testosterone nicht gut wegkommt. Sorry, Baby. Aber er raucht heimlich und das tut er im Auto. Zuhause darf er nicht.

Ich fahre nicht mehr in seinem Auto mit, weil der Rauch überall klebt. Versteh ich nicht, sagt er, hab eh so aufgepasst. Nö, hat er nicht. Da nutzen keine Sprays und offene Fenster. Über uns ist der Himmel. Das wissen wir alle. Und er ist aus Stoff. Und dort zieht das Nikotin in seine ewige Wohnstatt ein. Wer den Himmel nicht ehrt und reinigt, hat keine sexy Beifahrer, glaube mir. Und er kann auch sein Auto nicht verkaufen.

Bei der ganzen Pflege-Kür gibt’s allerdings einen Punkt, wo ich ratlos bin. Diese Touchscreens. Sie haben sich karnickelartig vermehrt in unseren Automobilen. Überall toucht man nur mehr und auch wenn ich meine Fingerkuppen noch so pudere, bleiben überall Fingertapper zurück. Alles ist nur noch Display und ich sehe überall meine Fingerprints. So etwas freut nur Forensiker. Ich werde mit Wischen nicht fertig und es gibt noch keine guten Lösungen. Sprays und Tücher sind bei mir im Dauereinsatz. Na, wird schon werden. Die Kosmetikindustrie wird sich etwas einfallen lassen.

Soweit die Kür, und jetzt die Pflicht. Ja, Pflege ist Pflicht. Ich sage nur Unterboden. Sozusagen das Wurzelchakra meines geliebten Autos. Ich will dort nie wieder angerostete Achsensehen. Jetzt wird’s intim: ich mache Unterbodenwäsch ein der Waschstraße, aber das hilft nur zum Teil. Damit Ruhe ist da unten, fahreich zum netten Herrn Marxrieser für eine Unterbodenversiegelung. Ja, der Herr Reifendoktor kümmert sich auch um das Untergestell. Die Zeiten, wo die Hersteller ab Werk fix einen geschützten Unterboden geliefert haben, ist vorbei.

Die sind darauf gekommen, dass das nur in den Ländern wichtig ist, wo Schneeliegt und Salz gestreut wird. Für einen weltweiten Autokonzern irrelevant, für mich hier im Schneeland ganz oben auf der Prioritätenliste. So eine Unterbodenpflege kostet nichts im Vergleich zu rostigen Achsen. Pflegetipp: Unterboden in der Werkstatt versiegeln. Alles andere machen Aufbereitungsfirmen, sozusagen die Kosmetikstudios für’s Auto.

Señor Testosterone blinzelt misstrauisch. Er ist mehr für Kraft statt Schönheit. „Wenn Du Dein bestes Stück nicht pflegst, geht’s kaputt“, zische ich. Das hat er verstanden. Hat gleich einen Termin beim Reifendoktor gebucht.